Die Schuld unserer Generation

Fassungslos saßen wir im Geschichtsunterricht, als wir Dokumentationen über Vernichtungslager auf VHS-Kassetten gezeigt bekamen. Sprachlos waren wir während des Besuchs im KZ Buchenwald. Die Verbrechen waren monströs, das Leid der Menschen erdrückend. Die Empathischen unter uns suchten Beruhigung in der Erklärung, dass das alles ja schon lange her wäre und mit uns persönlich auch nichts zu tun hätte. Die Abgeklärteren meinten, irgendwann sei es an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen und sowas sei in ähnlicher Form schon in vielen Kulturen vorgekommen. Aber alle stellten sich die Frage: Wie konnte es dazu kommen? Die Generation unserer Großeltern hatte unermeßliche Schuld auf sich geladen.

Heute zerstört das neoliberale, marktkonforme Europa die Lebensgrundlagen im globalen Süden und tötet tausendfach durch bewusst unterlassene Hilfeleistung im Mittelmeer, Nordafrika und dem Nahen Osten. Staaten töten durch direkte Waffenlieferungen in Krisengebiete,  destabilisieren eine Region nach der anderen durch Geld, militärische Interventionen und geostrategische Machtspiele. Die Zivilgesellschaft ist ängstlich geworden, jeder Depp kann Terror(angst) verbreiten, gewählt wird wieder deutlich rechts von der Mitte. Heute sehe ich – nahezu live – Enthauptungen, zerfetzte Kinderkörper, Berichte von monatelang vergewaltigten Sklavinnen und sinkende Flüchtlingsboote im Internet. Die CSU fordert Obergrenzen.

Meine Generation hat unerträgliche Schuld auf sich geladen. Und ich stelle mir die Frage: Wie konnte es zu all dem kommen?

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Endstation Obergrenze

Genau vor einem Jahr kamen wir von den Fahrten an die ungarisch-serbische Grenze zurück.
 
Tausende von geflüchteten Menschen erreichten Europa.
Die Zivilgesellschaft half, die Politik rieb sich die Augen.
 
Jetzt kommt (fast) niemand mehr.*
Die Politik hetzt, die Zivilgesellschaft reibt sich die Augen.
 
Nächster Halt: Obergrenze. Die Humanität endet dort, bitte alles aussteigen.
 
—–
(* Also, rein nach Europa. Die Flüchtlingszahlen bis an die Außengrenzen sind deutlich höher als in 2015. Durch den Türkei-Deal sind die Routen länger, teuerer und tödlicher geworden.)

Wir sind das Volk – Wir haben die Verantwortung

In den letzten Monaten saß ich oft mit Tränen in den Augen vor dem Computer. Die Erlebnisberichte, Fotos und Videos der Geflüchteten, der Gefolterten und/oder Getöteten waren und sind unerträglich. Die Geschehnisse der Gegenwart bleiben nicht hinter den Kriegsverbrechen vermeintlich vergangener Zeiten zurück. Und wähnten wir uns im Wohlstandsdeutschland noch zuversichtlich, aus der Geschichte gelernt zu haben, formieren sich jetzt AfD, Pegida und andere Hetzer zu neuem völkischem Bodensatz. Statt von Zuversicht lassen wir uns von Angst leiten. Statt Menschlichkeit und Nächstenliebe aktiv zu leben, betreiben wir Besitzstandswahrung und Ausgrenzung. Das muss sich ändern.


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Wir sind das Volk. Wir sind das Grundgesetz. – Wir haben die Verantwortung.

 

Varoufakis in München

Gestern war Yanis Varoufakis in München. Überschrieben war der von Christian Ude moderierte Abend mit dem Titel „under construction: europe“. Berichtet wurde u.a. hier (SZ), hier (tz) und hier (Merkur).

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Neben einem interessanten Blick auf die Ursachen und deren Wirkung bezüglich „Vereinigte Staaten von Europa vs. nationalstaatliches Kleinklein“, gab es diesen bemerkenswerten Dialog:

Ude gespielt überrascht: I read in the newspaper today that you would vote Merkel. Is it because of her opinion towards refuges or …
Varoufakis fällt ihm ins Wort: Yes.
Ude wirklich überrascht: But this was just one single decision.
Varoufakis: Yes, but it is huge!

PS: vergleicht mal den letzten Satz des tz-Artikels mit meinem Tweet von der Veranstaltung 🙂

Europa 2015

Am letzten Samstag war ich für die IHA auf Einladung der Linken im Bundestag. Was ich über die Lage auf dem Balkan und über die Idee Europas zu sagen hatte, gibt es hier als Mitschnitt:


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Sehr sehenswert und authentisch ist auch der Bericht von Lena Mevenkamp und Alina Weber:


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Die Lage auf Lesbos – ein Drama

Die angehende Ärztin Maria ist der beeindruckendste Menschen, den ich in diesem Jahr kennenlernen durfte. Sie war nicht nur federführend am Keleti Bahnhof in Budapest und in Röszke an der ungarisch-serbischen Grenze, sondern engagierte sich jetzt auch auf Lesbos:


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Bitte spendet jetzt!

Wir erleben aktuell spannende Zeiten, um es euphemistisch auszudrücken. Wir sind mit Problemen (im Wirtschaftssprech würde man Herausforderungen dazu sagen) konfrontiert, für die wir ob ihrer schieren Größe keine adäquaten Lösungen parat haben. Es ist aber nicht nur die Größe und Anzahl der Probleme, sondern vor allem deren Qualität. Auf eine Flucht von Kriegsgeplagten kann man nicht mit Grenzzäunen, Stacheldraht und Schikane reagieren, das widerspricht nicht zuletzt dem Sinn der Genfer Konvention.

Während auf politischer Ebene Ratlosigkeit und Besitzstandswahrung herrscht, hat die Zivilgesellschaft schnell, pragmatisch und wirkungsvoll reagiert. Denn die grundlegende Versorgung mit überlebensnotwendigen Gütern und Hilfsstrukturen wird in Europa und dessen Außengrenzen von freiwilligen HelferInnen gestemmt – was zunehmend die Funktion von (im Besonderen intereuropäischer) Politik und Verwaltung in Frage stellt, dauerhaft auf ehrenamtlicher Basis aber gar nicht zu leisten sein wird.


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